Menü

Donnerstag, 30. November

Östro 430 [D] / Die Radierer [D]

Punkrock nach Hausfrauenart

Östro 430 waren schon immer eine sehr besondere Band. Eine kurze Zeitreise:
Es sind die späten 70er- und frühen 80er-Jahre, und in Düsseldorf proben Dutzende junger Gruppen die Revolution: Male, Mittagspause (später Fehlfarben), ZK (später Tote Hosen), S.Y.P.H., Der Plan, DAF. Ihre Barrikade, Bühne und Biertresen ist der Ratinger Hof, der schnell zum deutschen „Mekka des Punk“ wird. Doch selbst hier verstoßen Östro 430 gegen jedes Gesetz.
Ihre Musik ist aufgedreht, melodiös, brachial und Do-it-Yourself. Die Krönung sind die Songtexte: Lieder wie „Sexueller Notstand“, „S-Bahn“ und „Zu cool“ werden zu Klassikern. Sie schaffen es ins Fernsehen, den britischen NME und sogar in die BRAVO. Die Welt braucht die Östros, aber sie verpasst ihre Chance: 1984 lösen sich Östro 430, Role Models in einer Zeit, als es den Begriff noch nicht einmal gab, nach einer Abschiedstour auf.
39 Jahre später bekommt die Welt eine zweite Chance. Als Erste erkennen das Tapete Records. Schon 2020 veröffentlichen sie Östros komplette Studio-Aufnahmen aus den 80ern neu, die Compilation „Keine Krise kann mich schocken“. Die Resonanz ist überwältigend: Die Feuilletons adeln Östro 430 plötzlich zur Hochkultur, jüngere Musiker erweisen ihre Referenz.
Das Undenkbare geschieht: Östro 430 tauchen auf Tribute-Alben und -Veranstaltungen für Rio Reiser und Stoppok mit neuen Cover-Aufnahmen auf Und sie spielen wieder live. Neue Ideen werden zu neuen Stücken, treffen auf das alte Band-Motto „Nicht labern, sondern machen“ – und so entsteht zwangsläufig das neue Album: „Punkrock nach Hausfrauenart“
Alte Männer, wohin man blickt. Und Klugscheißer. Und Wörterpolizisten. Ewig-Gestrige, die glauben, sie würden gegen den Strom schwimmen. Selbsternannte Welterklärer, die mit dem SUV zu Lahmarsch-Fêten fahren. Aber es gibt noch ein Fünkchen Hoffnung, vielleicht doch das ganze System zu ficken. Schließlich gibt es noch scharfe Männerhintern – und Östro 430.
Östro 430 können nicht anders, als anders zu sein als alle anderen. Punkrock, aber nach Hausfrauenart: keine Gitarren – und trotzdem straight. Dazu Texte, die das Reimlexikon neu erfinden: Sie dichten „Diktator“ auf „Vibrator“ und „Hintern“ auf „Pimpern“. Sie teilen aus gegen jede Art von Spießertum: machtgeile Populisten, konservative Alt-Punks, ignorante Umweltschweine und politisch Überkorrekte, die Shitstorms diktieren. Und die Östros können sogar anders als anders, nämlich verletzlich sein. In „Bleib hier“ heißt es: „Du sagst, ich lieb aus Angst vor dem Alleinesein und jedes Wort tritt meine Zukunft ein“.
Östro 430, die ungewollten Role-Models der Ü50-PunkerInnen, teilen wieder aus & prangern an – schmackhaft, nachhaltig & wohl bekömmlich.

 

Die Radierer gingen ungefähr so: Das hochbrisante Spannungsfeld zwischen NDW-Nichtigkeiten, sich selbst überaus ernst nehmenden Kunstfricklern und grimmigem Punk-Geblöke wurde von einem mutierten Riesengummibärchen aus dem Weltall zermalmt und gerann zu freundlicher Popmusik vom Mars. Eine geradezu dadaistische Freude am Zerstören von Konventionen und Konstanten führte zu munteren Weisen, nach denen Limburg nie wieder auf zotige Wirtinnenverse und Käse reduziert werden konnte. Man musste kein Kindskopf sein, um diese Band zu lieben, aber es half. Jetzt ist der ganze Kram wieder da, und das Leben wird schöner!
Ihre erste Single war auch gleich die bislang erfolgreichste. „Angriff aufs Schlaraffenland“ aus dem Jahr 1980: Hart schlägt der dürre Beat, dazu klimpert jemand eine Kindermelodie auf einem Billig-Keyboard. Dann diese Stimme, der man solche Zeilen nicht zutraut: „Ich flieg hier in meinem Jet / Klappen auf zwo, drei vier, Napalm raus / Das Schlaraffenland brennt! Das Schlaraffenland brennt! / Und jetzt nix wie nach Haus“. In dieser Zeit war alles möglich: elektronische Musik, Gitarrensounds, Postpunk auf Kinderinstrumenten – in neuer Offenheit wurde vieles vermischt. Neue Freiräume noch für Kinder und Kindeskinder erobert.

 

Einlass: 20h, Beginn: 21h, Eintritt: 14€

Links:
Östro 430
Die Radierer




Östro 430

Die Radierer